Ein Rundgang über Japans Doppelmesse für Solaranlagen und Brennstoffzellen offenbart, dass die ostasiatische Wirtschaftsgroßmacht in der Krise in beiden Zukunftstechniken auf Angriff umgeschaltet hat. So wird Japan das deutsche Energieeinspeisegesetz kopieren, um die heimische Solarindustrie zurück an die Weltspitze zu fördern.
Auf der größten Solarmesse Asiens, der PV Expo in Tokio, herrschte vorige Woche trotz Weltwirtschaftskrise verhaltener Optimismus. Denn quasi zum Messeauftakt hatte das mächtige Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie (Meti) angekündigt, seinen jahrelangen Widerstand gegen die Einführung eines Energieeinspeisegesetzes aufzugeben, das in Deutschland der Solarzellenindustrie in den vergangenen Jahren zum Höhenflug verholfen hat. „Wir haben große Erwartungen an das Energieeinspeisegesetz“, freute sich Kazuaki Shimada vom größten japanischen Dünnschicht-Solarzellenhersteller Honda Soltec auf der Messe über den radikalen Kurswechsel in der Förderung alternativer Energien. „Der Markt wird darauf reagieren“, sagte Felipe Barragán Pérez vom japanischen Solarzellenfabrikanten Mitsubishi Heavy Industries voraus.
Den Grund für den Kurswechsel verriet ein Manager hinter vorgehaltener Hand: „Das Meti wollte es nicht wieder vermasseln.“ Das Meti stand bisher im Ruf, Japans jahrzehntelange Führerschaft in der Solarindustrie zu gefährden, die in der Industriepolitik des Landes neben Brennstoffzellen und Atomkraft eine Schlüsselstellung einnimmt. Japan hat nach der Ölkrise frühzeitig erst die Warmwasser- und dann die Stromerzeugung aus der Sonne gefördert. Bis heute zehrt Japan von diesem Frühstart – noch immer ist das Land die größte Herstellernation von Solarzellen. Doch der Solarzellenmarkt daheim schrumpfte, nach dem das Meti im Jahr 2005 die Subventionen just zu dem Zeitpunkt auslaufen ließ als in Europa der Markt explodierte. Bereits 2006 lief Deutschland dem Land der aufgehenden Sonne den Rang als größter Solaranlagenmarkt ab. 2007 überflügelte dann die Neugründung Q-Cells aus Deutschland Japans Elektronikkonzern Sharp als weltgrößten Hersteller. Als sogar der chinesische Hersteller Suntech Power in die Phalanx japanischer Hersteller einbrach, wuchs der Ruf nach neuen Subventionen in Japan.
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Zuerst reagierte das Meti noch halbherzig. Wie in der Vergangenheit folgte das Ministerium der Forderung der Stromkonzerne, die sich gegen eine Zwangsabnahme von Sonnenstrom zu erhöhten Preisen gewehrt hatten. Stattdessen wollte das Meti wie in den Subventionsprogrammen der letzten 30 Jahre nur den Kauf von Solaranlagen einmalig bezuschussen, obwohl der deutsche Appell an das Gewinnstreben der Bürger unter Japans Industrieexperten als die kräftigere Fördermaßnahme gilt.
Die Weltwirtschaftskrise beflügelte jedoch den Kursschwenk. Denn mit Entsetzen muss Japan erleben, dass fast alle Elektronikkonzerne, die in Japan die Solarindustrie tragen, wegen des globalen Nachfrageeinbruchs tief in die roten Zahlen rutschen. Zusätzlich drohten nun auch noch Verluste in den Solarzellensparten der Konzerne, weil Privatkunden aus Zukunftsangst kaum noch Solaranlagen ordern, und Großkunden weltweit Solarprojekte verschieben oder streichen. Die Stimulierung des Heimatmarkts soll daher die Not der heimischen Industrie lindern. „Die nächsten drei bis fünf Jahre sind kritisch, die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Sonnenenergie zu verbessern“, begründete Meti-Minister Toshihiro Nikai den Bewusstseinswandel Ende Februar.
Das japanische Gesetz ähnelt dabei dem deutschen Energieeinspeisegesetz. Stromkonzerne sollen privaten Sonnenstromerzeugern für die kommenden zehn Jahre 50 statt der bisher marktüblichen 24 Yen pro Kilowatt zahlen. Wie in Deutschland soll der Sondertarif schrittweise zurückgefahren werden. Die Mehrkosten werden ebenfalls auf alle Stromkunden umgelegt. „Dadurch wird der Markt drastisch wachsen, denn die Kunden kümmern sich vor allem darum, wie schnell sich ihr Investment rechnet“, meint Hondas Experte Shimada. Seiner Einschätzung nach wird sich die Investition künftig nicht wie bisher in 20, sondern bereits in zehn bis 15 Jahren auszahlen. Der entsprechende Gesetzentwurf soll bald ins Parlament eingebracht werden, damit die Fördermaßnahme nach Möglichkeit noch vor 2010 in Kraft treten kann. Insider erwarten, dass durch die Einführung des Energieeinspeisegesetzes Japans Solarhersteller wie gewünscht gegen die Krisenfolgen schützen werden. „Die Unternehmen werden ihre Verkaufsanstrengungen nun vom Export auf den Binnenmarkt verlegen“, meint ein Manager.
Dies könnte einen der wichtigsten Trends stützen, der sich für die Hersteller auf der PV Expo gezeigt hat: Die Solarindustrie hat die kritische Masse überschritten und beginnt, immer weitere Teile der Wirtschaft mitzuziehen. „Früher kamen nur kleine Hersteller an unseren Stand“, erinnert sich Shimada, „diesmal sind auch mehr Firmen dabei, die der Solarindustrie zuliefern. Das zeigt, dass die Industrie wächst.“ Für ausländische Solarzellenhersteller ist dies kein Grund zur Freude. Während Japans Unternehmen von Europas Solarboom profitieren konnten, werden sie von der Japans Kurswende kaum etwas haben, da sie bisher schlicht nicht auf dem ostasiatischen Markt präsent.
Der technische Trend der Messe sind Dünnschichtsolarzellen, meint Mitsubishi Heavys Manager Barragan. „Es ist noch eine neue Technik, aber sie wächst rasch.“ Nach Schätzungen der Industrie wird ihr Absatz von 700 Megawatt im Jahr 2007 auf 3 bis 3,5 Gigawatt im Jahr 2010 steigen. Zwar ist die Energieausbeute der Dünnschichtsolarzellen nicht so hoch wie bei den bisher gebräuchlichen Solarzellen. Dafür sind die Produktionskosten niedriger, weil weniger oder gar kein Silizium mehr für die Zellen verwendet wird. Ein starker Wachstumsmarkt sind Halbleitersolarzellen wie die CIGS-Zellen (kurz für Kupfer, Indium, Gallium und Selen), bei denen der Autobauer Honda inzwischen zum japanischen Marktführer aufgestiegen ist. Aber auch organische Solarzellen sind auf der Messe vertreten.
Dank beider Trends sehen auch deutsche Maschinenbauer Möglichkeiten im japanischen Markt. Der Roboterhersteller Kuka wirbt mit reinraumtauglichen Produktionsrobotern um Kunden. Gleich daneben bietet Jenoptik Produktionsanlagen für die Strukturierung von Solarmodulen. Besonders bei Dünnschichtsolarzellen rechnet sich Jenoptik Chancen aus. „Bei Dünnschichtsolarzellen hat Deutschland einen technischen Vorsprung vor Japan“, urteilt Oliver Streitz, Produktmanager der Jenoptik Automatisierungstechnik GmbH. Nur ist für die deutschen Hersteller der Marktzugang in Japan schwierig. Schließlich beziehen japanische Solarzellenhersteller ihre Maschinen daher in der Regel von heimischen Maschinenbauern oder gar aus dem eigenen Haus. Das größere Wachstumspotenzial wittert Streitz daher in Taiwan und Südkorea, in denen es keine starke heimische Zulieferindustrie gibt. „In Südkorea gibt es auch ein staatliches Förderprogramm, dort schießen die Unternehmen nur so aus dem Boden.“
Ein Stockwerk höher auf der Brennstoffzellenausstellung Fuel Cell Expo bietet sich ein ähnliches Bild. „Die Hauptbotschaft ist, dass viel Industrie anwesend ist“, sagt Hans-Peter Schmid, Geschäftsführer der WS Reformer GmbH, die Anlagen für die Wasserstoffgewinnung zum Beispiel aus Gas herstellt. „Dies zeigt, dass die Branche bereits aus der Forschungsecke herausgewachsen ist.“
Damit ist Japan Deutschland bei der Vermarktung von Brennstoffzellen um Jahre voraus. Deutsche Hersteller nutzen die Messe daher einerseits zum Kundenfang. Andererseits beobachten sie wie Birgit Scheppat, Vorsitzende der Initiative Wasserstoff- und Brennstoffzelleninitiative Hessen, den Markt. „Hier gibt es den neuesten technischen Stand und ein bisschen auch die Zukunft zu sehen“, sagt die Professorin der FH Wiesbaden. Sie beeindruckt die langfristig angelegte Strategie Japans, einer Technik im Entwicklungsstadium durch frühe Subventionen einen Massenmarkt zu schaffen. Inzwischen treiben Gas- und Öllieferanten im Bund mit Elektronikriesen wie Panasonic die Verbreitung von stationären Brennstoffzellen für die häusliche Kogeneration von Strom und Warmwasser mit Hochdruck voran. „Es ist überraschend, wie viele japanische mittelständische Unternehmen auf der Messe vertreten sind“, sagt Scheppat. „Man schafft hier eine kritische Masse.“ Selbst Spielereien gibt es zu sehen, wie Spielzeugroboter, die ihren Lebenssaft nicht aus Akkus, sondern aus Mini-Brennstoffzellen ziehen.